Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist
Das Bonner Landgericht hat beim Verfahren gegen zwei britische Banker Anfang Dezember durchsickern lassen, dass es die umstrittenen Cum-Ex Geschäfte nachgewiesenermaßen für illegal hält. Dies ist ein wichtiger Schritt, weil es erlaubt, dass diejenigen, die sich auf Kosten der Gesellschaft bereichern auch dafür zur Rechenschaft gezogen werden können. Aber wie funktionierten diese umstrittenen Geschäfte? Im Folgenden möchte ich kurz erläutern, wie es Aktionäre und Banken geschafft haben, den Fiskus um mehrere Milliarden Euro zu betrügen.Nehmen wir an ein Großinvestor hält einen Anteil an einem Unternehmen im Gesamtwert von 10mio €. Der Einfachheit halber nennen wir diesen Investoren A. Wenn die von Investor A gehaltenen Aktien in einem bestimmten Jahr eine Dividende von 10% abwerfen, so würde er also einen Gewinn von 1mio. € erzielen. Dieser Gewinn wird mit einer Kapitalerwerbssteuer von 25% belegt, sodass das Unternehmen tatsächlich nur 750.000€ an den Investoren auszahlt und den Rest einbehält. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Investor vom Staat eine (Teil-)Erstattung dieser Steuer zurückzuerhalten. So sollte das System zumindest funktionieren.
In der Realität tat sich allerdings eine Möglichkeit auf, diese Rückerstattung mehrfach zu erhalten.
Nehmen wir an ein zweiter Investor (B) möchte ebenfalls vor Auszahlung der Dividende noch Aktien kaufen. Er kauft diese allerdings nicht direkt von Investor A, sondern von Investor C. Das Besondere daran ist, dass dieser Investor die Aktien zu dem Zeitpunkt noch gar nicht besitzt. Man spricht von einem sogenannten Leerverkauf. Leerverkäufe sind in der Finanzwelt nicht unüblich und stellen in sich selbst auch kein Problem dar.
Investor B ist durch den Kauf bei C bereits zum Zeitpunkt der Dividendenausschüttung im Besitz der Aktien, auch wenn er sie nicht physisch in der Hand hält und die Dividendenzahlung auch nicht direkt bekommt.
Nachdem die Dividendenauszahlung erfolgt ist, muss Investor C den getätigten Leerverkauf decken. Das bedeutet, er muss die Aktien tatsächlich an B übertragen. Er kauft sie von Investor A für 9mio. € (die Aktien sind nach Auszahlung der Dividende natürlich so viel weniger Wert, wie an Dividende ausgeschüttet worden ist).
Da er (B) allerdings 10mio. € gezahlt hat und nur Aktien im Wert von 9mio. € bekommt, bekommt er überdies eine Überweisung von Investor C in Höhe von 750.000€. Der fehlende Betrag sind die 250.000€, die an Steuern entrichtet werden müssen. Da Investor B die Aktien zum Zeitpunkt der Dividendenauszahlung formell schon besessen hat, kann er sich nun ebenfalls eine Steuerbescheinigung ausstellen lassen, um die Steuern später erstattet zu bekommen. Daraus ergeben sich folgende Bilanzen:
Investor A:
+750.000 € Dividende
+250.000€ Steuerrückzahlung
+9mio.€ für Verkauf an C
-9mio.€ in Aktien
Summe: +1mio. €
Investor B:
-10mio. € für Aktien
+9mio. in Aktien
+750mio. € Ausgleichszahlung von C
+250.000 € Steuerrückzahlung
Summe: +- 0€
Investor C:
+10mio € von Investor B
-9mio € für den Kauf der Aktion von A
-750.000€ Ausgleichszahlung an B
Summe: +250.000€
Das bedeutet also, dass die drei Parteien am Ende insgesamt 1,25mio € Gewinn gemacht haben, obwohl die Dividende lediglich 1mio. € betrug. Die Aktien selbst können am Ende bei B verbleiben oder wieder an A zurückverkauft werden, das ändert an der Bilanz nichts. Die restlichen 250.000 stammen aus der Hand des Staates, der jetzt zweimal Steuerrückerstattungen geleistet hat, obwohl nur einmal Steuern gezahlt worden sind. Auf diese Art und Weise können Banken und Investoren den deutschen Staat um Milliarden betrügen. Das Bonner Gericht sieht es in dem konkreten Fall der britischen Banker als nachgewiesen an, dass die Geschäfte keinen realwirtschaftlichen Zweck hatten, außer die Mehrfacherstattung der Steuern durch den Staat. Es wird Zeit, dass die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft gezogen werden: Eigentum verpflichtet, vorallem zum Steuerzahlen.
Jan Ehlert, Referent für Wirtschaft und Finanzpolitik im ZGV