14.11.2018
Kirche und Gesellschaft
"Sinn". Theologische Skizze
Sinn
„Kannst Du nicht zur Abwechslung mal was Sinnvolles machen?“ Diesen Spruch hat sicher jeder noch aus seiner Jugend im Ohr, als man mal wieder einfach vor sich hinträumte. „Wird Zeit, dass Du endlich erwachsen wirst“. Erwachsen sein, heißt in diesem Zusammenhang: Pläne haben und Berechnungen anstellen, mit welchen Mitteln sich die Pläne am besten verwirklichen lassen. Erwachsen sein heißt: Ziele haben und damit dem Leben einen Sinn geben.
Aber woher weiß ich eigentlich, welche Ziele sinnvoll sind?
Die Frage, was man tun und lassen soll, beantworten Erwachsene oft mit dem Hinweis: „Schau einfach, was die anderen machen und mach es genauso“. Was alle tun, muss sinnvoll sein. Die Mehrheit wird schon Recht haben, sonst wäre sie ja nicht die Mehrheit.
Jesus macht einen anderen Vorschlag, wen man in dieser Sache zurate ziehen sollte: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen“ (Mt 18, 3).
Überall, wo Erwachsene „darum“ sagen, fragen Kinder „warum?“ Alles, was uns Erwachsenen sinnvoll erscheint, hat zuweilen keine andere Begründung als die Tatsache, dass das eben die Mehrheit für sinnvoll hält. „Und warum?“
Ja, warum eigentlich? Glaubt man den Berichten über Jesus, hat der nicht danach geschaut, was alle machen, um dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen. Ganz im Gegenteil hat er gerade denen am Rande der Gesellschaft das Gefühl gegeben, dass es in ihrem Leben unerhört viel Sinnvolles, nämlich Menschliches, zu entdecken gibt.
Warum tun wir es nicht ebenso? Ja, warum eigentlich?
Pfr. Dr. Ralf Stroh
Theologischer Referent für Wirtschafts- und Sozialethik
Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN
Albert-Schweitzer-Str. 113-115
55128 Mainz
r.stroh@zgv.info
Zitat: Odo Marquard: Apologie des Zufälligen, Philosophische Studien, Ditzingen: Reclam, 1996, S. 33