Im Alltag klimafreundlicher unterwegs sein. Wiesbadener Ringkirchengemeinde erringt ersten Platz bei Mobilitäts-Wettbewerb
Wiesbaden. Beim Wettbewerb „Klimafreundliche Mobilität in Kirchengemeinden“, den das Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung ausgeschrieben hatte, belegt die Ringkirchengemeinde in Wiesbaden den ersten Platz und erhält 5000 Euro Preisgeld. Beteiligt haben sich Kirchengemeinden aus der gesamten Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.Das eingereichte Konzept der Ringkirchengemeinde hat die Jury überzeugt: Es sei umfassend, nachhaltig und nehme alle Verkehrsteilnehmer*innen in den Blick, heißt es in der Begründung.
Die Verkehrsbelastung ist an der Ringkirche so massiv wie bei keiner anderen Kirche in der hessischen Landeshauptstadt. Zehntausende Autos rauschen täglich pausenlos um die Kirche herum. Der Verkehr ist an Werktagen so laut, dass man ihn auch im Innern der Kirche hört, berichtet Dr. Thomas Schultz-Krutisch, Vorsitzender des Kirchenvorstands: „Wenn wir abends eine Andacht feiern, hört man in den stillen Momenten, etwa beim Gebet, immer den Verkehrslärm.“
Sonntagmorgen während der Gottesdienste sei es zum Glück leiser. Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie betreibt wenige Meter vor der Kirche eine Luft-Messstation. Der gemessene Wert der Luftschadstoffe gehört zu den höchsten in ganz Hessen.
Seit Jahren beteiligt sich die Ringkirche an Verkehrswendeaktivitäten. 2018 hat sie etwa die städtische Kampagne für eine saubere Luft unterstützt: An der Fassade der Ringkirche hing wochenlang eine NO2-Ampel.
Die Gemeinde hat sich drüber hinaus öffentlich für den Bau der Citybahn positioniert. Dass der Bürgerentscheid gegen den Citybahn-Bau ausfiel, sei ein herber Schlag gewesen, so Schultz-Krutisch: „Umso wichtiger fanden wir es im Kirchenvorstand, jetzt zu schauen, wie wir als Kirchengemeinde im Alltag klimafreundlicher unterwegs sein können. Wir wollen Vorbild sein, aber auch Impulse setzen.“ Neben öffentlichen Publikumsveranstaltungen in Kooperation mit dem Dekanat, die anregen sollen das eigene Mobilitätsverhalten zu hinter-fragen, soll es auch einen Schwerpunktgottesdienst zum Thema Mobilität geben.
Ein Anlass für das Mobilitätskonzept der Ringkirchengemeinde war der Verkauf des alten Gemeindebusses. Anstatt einen neuen Bus anzuschaffen, hat sich der Kirchenvorstand entschlossen, auf Carsharing umzustellen.
Der Platz vor der Kirche, die sogenannte Rampe, soll künftig so umgestaltet werden, dass von den vorhandenen Parkplätzen nur noch zwei für Carsharing-Autos und zwei für die Mitarbeitenden der Gemeinde übrigbleiben. Der Rest des Platzes soll so begrünt werden, dass der Straßenlärm reduziert wird und gleichzeitig ein Ort der Begegnung entsteht. „Gerade über die Neugestaltung der Rampe und die Parkplätze, die wegfallen, haben wir im Kirchenvorstand kontrovers diskutiert“, berichtet Schultz-Krutisch. Wir haben uns aber schlussendlich geeinigt. Natürlich sind wir hier alle keine Autohasser, aber wir wissen, dass es dringend notwendig ist, Treibhausgasemissionen einzusparen. Und dafür muss sich in den Köpfen der Menschen etwas verändern.“
Vor dem Gemeindehaus sollen mehr Fahrradständer installiert werden, möglicherweise auch eine E-Ladesäule. Gebrauchte Fahrräder sollen angeschafft und repariert werden und zur Ausleihe bereitstehen. Außerdem ist die Ringkirchengemeinde beim Stadtradeln dabei. Für bestimmte Gelegenheiten werden Gemeindemitgliedern und Mitarbeitenden ÖPNV-Karten zur Verfügung gestellt.
Auch Überlegungen über den Wert des Zufußgehens finden in dem Konzept ihren Platz. Beispielsweise will man Wander- oder Pilgergottesdienste anbieten. Gemeinsam mit Mitarbeitenden der Stadtverwaltung sollen Erkundungsgänge im Gemeindegebiet stattfinden, um Hürden für Fußgänger*innen mit und ohne Kinderwagen, aber auch für Rollator- und Rollstuhlfahrer zu erkennen und Abhilfe zu schaffen. Dass die Stadt Wiesbaden im September als Modellkommune ausgewählt wurde, um eine Fußverkehrsstrategie zu entwickeln, freut Schultz-Krutisch sehr: „Das passt sehr gut zu dem, was wir vorhaben. Ich hoffe, dass wir da an einem Strang ziehen werden.“ von Andrea Wagenknecht, Öffentlichkeitsarbeit des Ev. Dekanats Wiesbaden