Aufs Auto verzichten – und gewinnen
Höchst. „Zuversicht“ lautet das Motto der diesjährigen evangelischen Fastenaktion, erinnerte Annette Claar-Kreh, Referentin für Gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald. Das sei doch eine passende Leitidee auch für das Autofasten, mit dem das Bistum Mainz und die Evangelische Kirche und Hessen und Nassau in diesem Jahr wieder zum bewusst-sparsamen Gebrauch des Automobils aufrufen.Bei einer Pressekonferenz in Höchst zum Auftakt der Aktion Autofasten 2020 wurde deutlich: Eine gewisse Zuversicht hilft, wenn man gerade im ländlichen Bereich das Auto in der Garage stehen lässt und stattdessen etwa mit dem Bus fährt. Einig war sich Claar-Kreh mit anderen Teilnehmern am Tisch der Pressekonferenz, dass es kaum um einen kompletten Verzicht aufs Auto gehen könne, sondern vielmehr darum, diese Form der individuellen Fortbewegung zu reduzieren.
Carsten Stein, der stellvertretende Dekan des Evangelischen Dekanats Odenwald, räumte ein, dass das Thema Autofasten gerade im Odenwald mit seinen zum Teil abgelegenen Ortschaften und Seitentälern sicher kein Selbstläufer sei. Doch warb Stein für einen zweiten Blick: „Es gibt Alternativen!“ Aus seiner Arbeit als Gemeindepfarrer in Lützelbach nannte er als solche etwa das Elektromobil der Kirchengemeinde sowie die beiden Kleinbusse, mit denen Menschen innerhalb der Gemeinde befördert werden können.
„Es ist eine Frage der inneren Einstellung“, betonte Horst Bitsch. Der Höchster Bürgermeister hat privat eines von vormals zwei Autos abgeschafft, legt jetzt häufig Wege zu Fuß oder mit dem E-Bike zurück und möchte auch für die Kommune zwei solcher Fahrräder anschaffen, welche die Mitarbeiter innerorts nutzen können. Den sogenannten „Eltern-Taxi-Betrieb“ vor Kindergärten und Schulen nannte Bitsch „unglaublich“.
„Autofasten bieten wir im Grunde genommen das ganze Jahr über an“, so Stefan Reinhardt, der stellvertretende Abteilungsleiter Nahverkehr bei der Odenwald-Regionalgesellschaft (OREG). Immerhin 8,5 Millionen Euro investiere die OREG pro Jahr in den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Die Aktion „garantiert mobil“ stelle die Leistungen des ÖPNV in den Mittelpunkt, bleibende Lücken könnten mit einem „Taxomobil“ geschlossen werden, aber auch die Bildung von Fahrgemeinschaften werde von „garantiert mobil“ gefördert beziehungsweise deren Organisation ermöglicht, erklärte Reinhardt.
Dr. Karl-Heinz Drobner, der Dekan des Katholischen Dekanats Erbach, plädierte dafür, vorher genau zu überlegen, was bei einer Fahrt mit dem Auto alles zu erledigen sei, getreu dem Motto: „Lieber fünf Dinge bei einer Fahrt erledigen als jeweils eine Angelegenheit bei fünf Fahrten“ – die Planung macht’s. „Autofasten ist ein guter Anstoß zum Nachdenken“, befand Drobner.
Mit Sara Tsudome vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club saß eine explizite Vertreterin des Fahrens auf zwei Rädern mit am Tisch. „Das Auto hat viel mit Gewohnheit zu tun“, ist sie überzeugt. Aber Ärger im Stau, Stress im Gedrängel, Frust bei der Parkplatzsuche seien eben nicht zu leugnen. „Autolos ist ein Verzicht? Ich würde es eher einen Gewinn nennen“, sagte sie. Im Übrigen könne sie verstehen, wenn Eltern ihre Kinder aus Sorge wegen des Verkehrsaufkommens heute nicht gerne mit dem Fahrrad auf die Straßen ließen. Sie plädierte dafür, Verkehrsmittel zu kombinieren. „Der Weg vom oder zum Bahnhof kann in der Regel gut mit dem Fahrrad zurückgelegt werden.“ Dass am Angebot für Radfahrer noch viel zu tun sei, sei aber ebenso klar; Radwege müssten tatsächlich richtige Radwege sein; die ließen sich nicht einfach mit einem weiteren Strich auf einer Fahrbahn schaffen: „Farbe ist keine Infrastruktur“, so Tsudome.
Auf die Geschichte der Aktion Autofasten ging Dr. Franz-Jakob Hock ein, der beim Bistum Mainz als Umweltbeauftragter arbeitet: Seit über 20 Jahren gebe es diese Aktion, die vor allem dazu helfen soll, ein Bewusstsein zu schaffen für die Problematik des überhandnehmenden Verkehrs. EKHN-Umweltpfarrer Dr. Hubert Meisinger freute sich, dass regelmäßig circa 2000 Personen beim Autofasten mitmachen; so seien etwa 2019 allein mindestens 51.000 Kilometer eingespart worden.
Alois Bauer vom Bischöflichen Ordinariat in Mainz brachte noch einen weiteren Gesichtspunkt mit ein: wie bedauerlich und problematisch es sei, dass in den zurückliegenden Jahrzehnten so viel Güterverkehr von der Schiene auf die Straße verlegt worden sei – nicht zuletzt auch im Odenwald deutlich spürbar.
von: Bernhard Bergmann, Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Ev. Dekanat Odenwald