Algorithmische Entscheidungsprozesse im Visier
Es ist nun fast ein Jahr her, dass der Bundestag die Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale“ eingerichtet hat. Sie hat den Auftrag, Handlungsempfehlung im Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) zu formulieren und im Herbst 2020 ihren Abschlussbericht mitsamt Handlungsempfehlungen vorzulegen.Im Moment vergeht kein Monat, ohne dass eine große Konferenz sich mit Künstlicher Intelligenz auseinandersetzt. Im Vordergrund steht vor allen Dingen die Sorge um den Verlust der Anschlussfähigkeit an weltweit technisch-wirtschaftliche Entwicklungen und in welchen Anwendungsfällen KI den Menschen helfen kann, das Leben besser zu gestalten.
Künstliche Intelligenz wird heute schon in vielen Bereichen verwendet, ohne dass wir davon etwas merken. Egal ob eine Suchmaschine genutzt, eine Immobilie in einem Portal gesucht oder Alexa nach Gottesdiensten in der Nähe gefragt wird, algorithmisch gesteuerte Entscheidungssysteme werden in immer mehr Lebensbereichen eingesetzt. Verständlich ist der Wunsch nach Transparenz und Kontrolle, denn insbesondere Filme und Bücher lassen in uns Vorstellungen nicht wünschenswerter Szenarien entstehen.
Denn es geht beim Einsatz von KI um einen Kulturwandel. KI oder - besser gesagt -, algorithmische Entscheidungssysteme treten an die Stelle von menschlichen Entscheidungsprozessen. Man stelle sich vor, die KI entscheidet bei der Personalauswahl. Oder wer wann operiert wird. Oder ob sich eine Operation überhaupt noch lohnt. Ethische Fragen, die mit dem Einsatz von KI verbunden sind, fallen uns hier schnell ein. Was soll KI dürfen? Wo sollen Grenzen gesetzt werden?
Nach einer Studie der SYZYGY AG, einer großen Internetagentur in Deutschland, vom August 2017 haben etwa 41% der 18-65 jährigen Bevölkerung in Deutschland eine eher negative Einstellung gegenüber KI, während nach einer Studie der Postbank gleich-zeitig Sprachassistenten die Gunst der Deutschen erobern. 32% sollen aktuell bereits die Sprachassistenten von Apple, Google oder Amazon nutzen, die allesamt KI verwenden. Bei Mensch unter 40 Jahren sollen es annähernd die Hälfte sein. Tendenz steigend. Wird hier eine Aufspaltung sichtbar, die gesellschaftlich bedeutsam ist?
Die Bertelsmann-Stiftung schreibt „Die Diskussionen über algorithmische Entscheidungsprozesse finden bislang meist in abgeschlossenen Kreisen mit relativ wenig transdisziplinärer Zusammenarbeit statt.“
Wir möchten uns mit der Entwicklung sowohl der KI als auch der gesellschaftlichen Debatte sehr genau beschäftigen, denn die Anwendung von algorithmischen Entscheidungssystemen wird unsere Gesellschaft, damit auch unser Zusammenleben, zunehmend prägen.
Mit unserer Publikation Perspektiefe sind wir mit der Ausgabe 47 einen ersten Schritt gegangen. Nun folgt der Zweite. Am 29. August 2019 findet die Veranstaltung „Künstliche Intelligenz konkret – Wir müssen reden“ statt. Neben einer aktuellen Übersicht über momentane Anwendungsgebiete und zukünftige Entwicklungen wird auch über die Rolle der Zivilgesellschaft nachgedacht werden.