Klima, Corona und Kriege: Wie junge Menschen in Krisenzeiten mit Hoffnung die Zukunft gestalten
von: Katharina Adams, Referat Jugendpolitische Bildung, k.adams@zgv.info
„Pro Jahr sollten höchstens 1-2 Dinge passieren“ twittert der 26-jährige Satiriker Sebastian Hotz alias „El Hotzo“ am 24. Februar 2022, dem Tag des Angriffskrieges auf die Ukraine. Hotz gilt auf Twitter und Instagram als Sprachrohr der Jugend. Sein Post drückt die Überforderung aus, die viele junge Menschen angesichts der vielen Krisen empfinden. Von Angst zu Hoffnung – welche Rolle kommt gesellschaftspolitischer Jugendbildung in Krisenzeiten zu und wie kann Kirche Heranwachsende im Umgang mit Angst und Hoffnung begleiten?
Junge Menschen haben Ängste…
Die größten Sorgen haben Jugendliche in Bezug auf den Tod einer nahestehenden Person, Krieg und Klimawandel, wobei insbesondere der Krieg in der Ukraine Angst, Trauer und Kontrollverlust auslöst. Viele gesellschaftspolitische Debatten sind von Unsicherheiten und großen Unbekannten geprägt. Das Gefühl, dass (zu) viele negative, große Weltereignisse geschehen, kann Ohnmacht auslösen und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft trüben oder gar verschwinden und zeitweise in Resignation münden lassen. So formuliert Hotz zugespitzt einige Tage nach Kriegsbeginn: „Hatte keine Ahnung, dass ‚es gibt schlimmeres‘ nicht beruhigend, sondern drohend gemeint ist“ . Der relativierend gemeinte und sich auf das Positive besinnende Ausdruck wird hier, durch die eigenen Erfahrungen der vielen Krisen der letzten Zeit, umgedeutet und lässt eine ängstlich-pessimistische Haltung erkennen. Was soll in Zukunft kommen?
… und Gestaltungswillen!
Viele junge Menschen fragen sich, was die Zukunft bringen wird. Konkreter: Die Hälfte der Jugendlichen denkt seit Kriegsbeginn über den eigenen Beitrag zu einer zukünftig besseren Welt nach; 69 % der Jugendlichen finden es wichtig, einen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten. Befragt nach den Zukunftsaussichten Deutschlands sind junge Menschen skeptischer als bei ihrer persönlichen Zukunft, auf die die Mehrheit positiv blickt.
Schaut man sich an, wie Ängste und Hoffnungslosigkeit entstehen, wird deutlich, dass dies neben einem Kontrollverlust eng mit einem Mangel an Vorstellungskraft verbunden ist. Anja Besand, Professorin für Didaktik der politischen Bildung, stellt zurecht heraus, dass die Schwierigkeit eben nicht Interessenlosigkeit, sondern Illusions- und Hoffnungslosigkeit ist, wenn es für einige Menschen nicht einmal gedanklich eine Option gibt, dass wir es schaffen, im ganzheitlichen Sinne nachhaltig und in einer diversen Gesellschaft friedlich miteinander zu leben. Alte Strukturen, Ansätze und Herangehensweisen können so tief verankert und als selbstverständlich empfunden werden, dass manche Fragen nicht gestellt und somit viele Aspekte nicht hinterfragt werden. Es geht also im ersten Schritt nicht darum, die richtigen Antworten zu präsentieren, sondern zuerst die richtigen Fragen zu stellen und wichtiger: vermeintliche Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen. Das Engagement junger Menschen bezüglich der drängendsten Frage nach unserem gemeinsamen Zusammenleben auf dieser einen Erde ist hierfür das beste Beispiel. In unterschiedlichen Ansätzen und dennoch gemeinsam wird signalisiert: es muss anders weitergehen.
Politische Jugendbildung wichtiger denn je
Konsequenterweise müssen Gegebenheiten geschaffen werden, in denen junge Menschen Hoffnung entwickeln können. Dies ist zentrales Thema für politische Bildner*innen, denn: „Wo das Überkommene abgelegt und vom Neuen geschieden werden muss, sollte politische Bildung es als ihre Aufgabe begreifen, Menschen in ihrer Kritik- und Handlungsfähigkeit zu stärken und neue Horizonte zu eröffnen“ . Hierbei spielt das gemeinschaftliche Miteinander eine wichtige Rolle, ebenso wie sich und andere motivieren zu können und auch mit Komplexität und Unvorhergesehenem umgehen zu lernen – ohne dabei, sprichwörtlich, die Hoffnung (und Nerven) zu verlieren. Durch erfahrbare Selbstwirksamkeit und damit die allumfassende Stärkung von jungen Menschen kann Hoffnung erwachsen und miteinander geteilt werden. Folglich ist Hoffnung vermittelbar - genau hier setzen Angebote der jugendpolitischen Bildung an. Spiele können dabei hilfreich sein.
Sozialökologische Transformation: Spielerischer Einstieg in komplexe Themen
Das Spiel Weltivity ist eine Methode zu den Themen Frieden, Gerechtigkeit, Ernährung, Konsum sowie Klima und richtet sich an Jugendliche ab 13 Jahren. Erfunden und weiterentwickelt wurde es vom Landesjugendpfarramt der Evangelischen Jugend der Pfalz, der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung und dem Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung. Im Spiel treten drei Teams in den Wettlauf mit der Zeit und müssen in 90 Minuten die Erde einmal umrunden und verschiedene Aufgaben lösen. Hierdurch werden aktuelle politische Bildungsthemen diskutiert: Was ist eigentlich Frieden? Weshalb sind Fragen zu meinem Konsumverhalten wichtig? Wie können Strukturen geändert werden? Was heißt Gerechtigkeit? Und wie hängt das alles mit dem Klimawandel zusammen? Für politische Bildner*innen stellt sich zurzeit in besonderem Maße die Frage, wie politische Jugendbildung in Krisenzeiten gelingen kann. Das Thema der Resilienz junger Erwachsener spielt eine wesentliche Rolle. Wichtig ist ebenso die Erfahrung der Selbstwirksamkeit, denn: Wer auf bereits gelungene Beispiele selbstwirksamen Erlebens blicken kann, geht eher davon aus, dies auch zukünftig wieder zu erleben. Zwar weiß man noch nicht genau wie, aber man vertraut auf sich selbst – man hofft.
Kirche als Trägerin gesellschaftspolitischer Bildung
„Ich bin auf diese Welt gesetzt worden, um sie lebenswerter zu gestalten. Nicht, um auf die nächste Welt zu warten. Wir brauchen Utopien, um handlungsfähig zu bleiben“ führt die 26-jährige EKD-Präses Anna-Nicole Heinrich in einem Interview an. Die Vision: eine bessere Welt, eine gerechtere Welt und insbesondere eine Welt in Frieden. Utopien können dabei helfen, Gestaltungskraft zu generieren, wenn die Frage nach dem „Wofür?“ beantwortet werden kann. Deshalb sind Utopien in der politischen Bildungsarbeit (und die sich anschließende Reflexion und Kritik dieser) wichtiger Bestandteil. Utopien können durch das Aufzeigen und die Erinnerung daran, „dass vieles, was uns heute selbstverständlich ist, einmal utopisch erschien“ Hoffnung (zurück)geben. Junge Menschen dabei zu unterstützen sich als Gestalter*innen der Zukunft zu verstehen und an die eigenen Ideen und an sich selbst zu glauben – das ist Aufgabe der politischen Jugendbildung ebenso wie es Auftrag der Kirchen ist. Die Evangelische Kirche ist Trägerin, Akteurin und Mitgestalterin gesellschaftspolitischer Bildung und nimmt damit eine entscheidende Rolle ein, wenn es um die Stärkung Jugendlicher und ihrer Visionen geht. Die Zukunft kann gemeinsam hoffnungsvoll gestaltet werden, weshalb junge Menschen unbedingt in verantwortliche Entscheidungsfindungen der Zukunft einbezogen werden müssen.
Quellen
Hotz, S. [elhotzo] (2022, 24. Februar): pro Jahr sollten… [Tweet]. Twitter. twitter.com/elhotzo/status/1496795498614820868 (Zugriff: 10.11.2022).
Vgl. Liz Mohn Center, Bertelsmann Stiftung: Was bewegt die Jugend in Deutschland?, 2022, S. 3, 8.
Hotz, S. [elhotzo]. (2022, 26. Februar): hatte keine Ahnung,… [Tweet]. Twitter. twitter.com/elhotzo/status/1497527226832666625 (Zugriff: 10.11.2022).
Vgl. Liz Mohn Center, Bertelsmann Stiftung, 2022, S. 1, 5.
Vgl. Besand, A.: Hoffnung und ihre Losigkeit. Politische Bildung im Zeitalter der Illusionskrise. In Dies./Overwien, B. & Zorn, P.: Politische Bildung mit Gefühl. Bonn, 2019.
Jantschek, O.: Eine andere Welt ist möglich. In: Außerschulische Bildung 2/2022, S. 34.
Vgl. Besand, 2019.
Vgl. Rahmann, S.: „Ich gestalte mein Leben in Freiheit“: Anna-Nicole Heinrich zu Gast in Köln, 2022. www.kirche-koeln.de/ich-gestalte-mein-leben-in-freiheit-praeses-der-synode-der-evangelischen-kirche-in-deutschland-anna-nicole-heinrich-zu-gast-in-koeln/ (Zugriff: 10.11.2022).
Jantschek, 2022, S. 34.