Alle Menschen haben ein Recht auf Rechte. Diakonie-Forum fragt nach einer nachhaltigen Flüchtlingspolitik
Mit der Frage „Zelten wir noch oder wohnen wir schon?“ suchte das diesjährige Diakonie-Forum nach Antworten wie wir in der Flüchtlingspolitik vom Notfallmanagement zu mehr Nachhaltigkeit kommen können.Es diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften, Diakonie und Kirche.
Oberkirchenrat Pfarrer Christian Schwindt, Leiter des Zentrums Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), betonte in seiner Begrüßung die Notwendigkeit der guten, koordinierten Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Kräfte. Die EKHN verstehe sich als mitverantwortliche, gesellschaftliche Kraft und übernehme in vielfältiger Form Verantwortung. So habe die Synode der EKHN in der vergangenen Woche beschlossen, in den nächsten Jahren 21 Mill. € zusätzlich für die Flüchtlingsarbeit in ihren Einrichtungen und Projekten sowie für die Begleitung zahlreicher Ehrenamtlicher zur Verfügung zu stellen. Aber eins dürfe jetzt nicht passieren, so Schwindt, dass Flüchtlinge gegen andere Bedürftige ausgespielt würden.
Das unterstrich auch die erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Darmstadt Dieburg, Rosemarie Lück. Manche Menschen im Landkreis würden sich bereits fragen, warum Flüchtlinge Fahrräder erhielten und andere Bedürftige nicht. Eine Konsequenz daraus sei, dass es beispielsweise Kleiderkammern für alle bedürftigen Menschen gäbe.
Pfarrer Wolfgang Gern, der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Hessen hatte besonders die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer im Blick. Er freue sich über die große Solidarität der Bevölkerung, aber ehrenamtliche Arbeit müsse gut koordiniert werden und benötige einen professionellen Sockel. Diesen Aspekt betonte auch Dekan Frank-Tilo Becher aus Gießen: „Ohne massive hauptamtliche Unterstützung wird das große ehrenamtliche Engagement perspektivisch kollabieren und Ehrenamtliche beschädigen. Aber es gilt auch, dass diese gesamtgesellschaftliche Herausforderung ehrenamtliches Engagement in Deutschland entwickeln, verändern und prägen wird.“
Nachhaltige Flüchtlingspolitik ist inklusive Sozialpolitik
Für Andreas Lipsch, Vorsitzender von Pro Asyl und Leiter des Bereichs Flucht, Interkulturelle Arbeit und Migration bei der Diakonie Hessen, flieht kein Flüchtling leichtfertig aus seinem Heimatland. Angesichts zerfallender Staaten vor allem im Nahen Osten forderte er, dass Deutschland und Europa eine hohe Zahl Schutzberechtigter über Aufnahmeprogramme gefahrenfrei und legal einreisen lassen sollten; als Ergänzung und Entlastung des Asylsystems.
Mit Blick auf die Politik forderte Lipsch nachhaltige Flüchtlingspolitik als inklusive Sozialpolitik zu verstehen. Außerdem, so Lipsch weiter: „Statt immer neuer Notfallprogramme und Stabsstellen müssen gemeinsame Ziele und Standards einer nachhaltigen Integrations- und Beteiligungspolitik verbindlich definiert, konsequent verfolgt und auskömmlich finanziert werden.“
Rassistische Gewalt müsse konsequent verfolgt werden, Opfer müssen geschützt werden und rassistische Positionen sollten nicht noch gesetzlich verstärkt werden. Das vorrangige Ziel einer nachhaltigen Flüchtlingspolitik müsse die gleichberechtigte Teilhabe aller sein, von Anfang an – gleich ob auf Dauer oder auf Zeit. Hierzu würde auch die professionelle, ideelle und politische Unterstützung des Engagements der freiwillig Engagierten in der Flüchtlingsarbeit gehören. Mit Blick auf die Zukunft bemerkte Andreas Lipsch: „Der erste Schritt zur Beseitigung dieser Fluchtursachen ist die Anerkennung, dass alle Menschen ein Recht auf Rechte und Anspruch auf eine soziale Grundsicherung haben.“
Integration in den Arbeitsmarkt
Sowohl die beiden Gewerkschaftsvertreter Gabriele Kailing (DGB Hessen –Thüringen) und Michael Erhardt (IG Metall Frankfurt/Wiesbaden-Limburg) als auch Dr. Stefan Hoehl von der Vereinigung der Hessischen Unternehmerverbände betonten, wie wichtig eine Integration in den Arbeitsmarkt für die Integration von Flüchtlingen insgesamt in unsere Gesellschaft sei. Während der Unternehmerverbandsvertreter Hoehl eine Möglichkeit in der Lockerung gesetzlicher Regulierung z.B. beim Mindestlohn oder bei der Zeitarbeit sieht, sehen die Gewerkschaftsvertreter darin keine Lösung, denn, so Kailing „der gesetzliche Mindestlohn ist der Gegenwert für geleistete Arbeit, egal wer sie erbringt.“