Wenn die Chemie stimmt, klappt die Zusammenarbeit
IM GESPRÄCH
Thomas Fischer, noch amtierender Bürgermeister von Glashütten, und die evangelische Pfarrerin Anja Bode sprechen über die kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Kirchengemeinde und Kommune.
Das Interview führten: Margit Befurt und Dr. Brigitte Bertelmann, ZGVWie begann Ihre Zusammenarbeit?
Fischer: Das erste Mal arbeiteten wir beim Brunnenfest in Oberems, einem Ortsteil von Glashütten, zusammen. Der historische Brunnen war marode und mit einem Benefizfest sammelten wir Spenden für dessen Restaurierung. Ich sprach Pfarrerin Bode an, ob sie sich mit einem ökumenischen Gottesdienst an dem Fest beteiligen würde. Bode: Wir hatten auch schon regelmäßigen Kontakt zur Kommune über unseren kleinen Kindergarten in Oberems. Wir mussten uns gegenüber den großen Kindergärten behaupten und entwickelten neue Ideen. Der Kommune fehlten Betreuungsplätze für Kinder nach der Grundschule. In unserem Kindergarten waren noch Plätze am Nachmittag frei und anstatt neue Betreuungsplätze zu schaffen, übertrug uns die Kommune die Betreuung von zehn Grundschülern. Auch beim alle 14 Tage stattfindenden kostenfreien Mittagstisch für die älteren Bürger oder beim wöchentlichen Montagscafé kooperieren Kommune und Kirchengemeinde. Dafür waren am Anfang viele Gespräche und Verhandlungen nötig. Fischer: Die Kommune stellt das Bürgermobil zur Verfügung, um die alten Menschen aus den Ortsteilen „zu Tisch“ zu bringen. Es wurde aus Spenden und Werbeaufschriften finanziert und steht Kirchen und Vereinen zur Verfügung. Und manchmal wird der Hausmeister des Rathauses auch zum Fahrer.Welche Projekte haben Sie, Frau Bode, in Ihrer Kirchengemeinde angestoßen und welche Wirkung hatte das?
Bode: Wir haben den Weltladen in unsere Kirchengemeinde geholt und offen zur Mitarbeit eingeladen. Die Weltladenarbeit hat konfessionsübergreifend viele Menschen zusammengebracht, die sich für Gerechtigkeit, Frieden und Veränderungen in der Welt einsetzen wollen und war Motor im Prozess der Fairtrade-Town. Meine eigene Mitarbeit dort betrachte ich als Ehrenamt, denn wenn wir uns von Gemeindemitgliedern ehrenamtliches Engagement wünschen, ist es nur richtig, dass ich mich ebenfalls in dieser Form engagiere. Dadurch bin ich auch nicht Vorgesetzte sondern Teil des Projektes. Obwohl der Laden mittlerweile größer geworden ist, geht es mir nicht primär darum. Ich möchte vielmehr mit den fair gehandelten Produkten ein Bewusstsein schaffen für die Entwicklungen in der Welt, denn hinter den Produkten stehen Menschen. Das fließt in den Gottesdienst, den Religionsunterricht oder in die religiöse Früherziehung im Kindergarten ein. Beispielsweise schauen wir uns gemeinsam an, wo die Schokolade herkommt und wie sie produziert wird. Die Weltladenarbeit soll nicht als Zwang empfunden werden. Aber wenn es gelingt, Eltern und Gemeindemitglieder einzubeziehen, können wir gemeinsam etwas vorleben und wachsen lassen, wie beim Mittagstisch, der nur aus fair gehandelten und regionalen Produkten besteht, oder bei unserem Apfelfest, das wir am „Hessischen Tag der Nachhaltigkeit“ zusammen gefeiert haben. Fischer: In Glashüten entstand durch das große Engagement der Kirchen, des Weltladenteams und des Vereins „Jetzt e. V.“ eine Bewegung zur Nachhaltigkeit. Deshalb haben wir gerne den Hessischen Tag der Nachhaltigkeit zusammen gestaltet. Mit dem Apfelfest wollten wir ein Bewusstsein für unsere Region schaffen, denn Streuobstwiesen gehören zu unserem Landschaftsbild. Aber was mit den Früchten passiert, hat lange Zeit niemanden interessiert. Durch die Zusammenarbeit beim Hessischen Tag der Nachhaltigkeit entstand die Idee, dass sich Glashütten um das Zertifikat „Fairtrade-Town“ bewerben könnte.Welche Schritte sind nötig auf dem Weg zur Fairtrade-Town?
Fischer: Zuerst haben wir einen Lenkungskreis gegründet und auf Festen, in unseren Gremien und durch persönliche Gespräche für die Idee geworben. Es musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, denn alles, was neu losgetreten wird, stößt zunächst auf Vorbehalte. Den nötigen Gemeindevertreterbeschluss erreichten wir, weil ich versichert habe, dass sich kein Mitarbeiter aus der Verwaltung zusätzlich um das Vorhaben kümmern müsse, sondern die anfallenden Aufgaben von mir selbst erledigt würden. Mittlerweile haben wir die Bewerbungsunterlagen eingereicht und im November 2014 erhalten wir voraussichtlich unser Zertifikat. Fünf Kriterien sind dafür nötig (siehe Kasten). Dazu gehören Mitwirkungserklärungen von unterschiedlichen Einrichtungen und Informationsveranstaltungen zu fairem Handel. Bislang haben 21 Schulen, Kindergärten, Vereine und Gewerbetreibende eine Mitwirkungserklärung abgegeben. Die Unterzeichner verpflichten sich, mindestens zwei fair gehandelte Produkte anzubieten oder zu verarbeiten. Beispielsweise erhalten Kundinnen und Kunden beim Friseur anstatt normalem Kaffee jetzt welchen aus fairem Handel. Die Betreiber eines Cafés werden zu Weihnachten Plätzchen aus fair gehandelten Produkten backen. Das „Klinkenputzen“ hatte zur Folge, dass über die Idee gesprochen wird. Und die Gesprächspartner merkten, dass sie sich ganz leicht beteiligen können. Die Kreativität wurde angeregt und es entstand ein gutes Gefühl, mit wenig Einsatz etwas Gutes tun zu können. Darüber hinaus entstanden neue Kontakte, durch die unsere Idee weitergetragen wurde. Bode: Mich für die Fairtrade-Town zu engagieren entspricht meiner Grundidee von Christentum. Wir müssen Gemeinschaft leben, die Welt mitgestalten und uns aktiv für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen. Das ist Teil unserer Verkündigung. Ohne dieses Handeln aus dem Glauben heraus besteht die Gefahr, dass Seelsorge und Gottesdienst leer bleiben.Welcher finanzielle und zeitliche Aufwand war bisher nötig?
Bode: Für die Informationsveranstaltungen wurden nicht einmal 100 Euro zusätzlich ausgegeben, weil wir sowieso stattfindende Feste und Veranstaltungen zur Information nutzten. Zum Valentinstag bestellte ein Blumenladen für uns preiswerte Fairtrade-Rosen, die ausschließlich von Ehrenamtlichen des Weltladenteams in der Stadt verschenkt wurden. Fischer: Der zeitliche Aufwand hielt sich sehr in Grenzen. Das Steuerungsteam traf sich bis zur Abgabe der Bewerbungsunterlagen einmal im Monat für zwei Stunden und hat sehr zielorientiert gearbeitet. Dazu kam die Zeit für Gespräche mit den Mitunterzeichnern.Welche Vorteile hat die Zusammenarbeit für
Kommune und Kirchengemeinde?