Nachhaltig Einkaufen: Ein Fass ohne Boden?
HINTERGRUND: Nachhaltig einkaufen heißt: Beim Einkauf nicht nur auf das Produkt und den eigenen Vorteil, sondern auch darüber hinaus auf ökologische und soziale Aspekte achten. Und von diesen gibt es viele. Sehr viele.
Rechtlich geregelt
Vieles müssen wir gar nicht mehr bedenken. Denn gesetzliche Regelungen machen unseren Einkauf schon an einigen Stellen nachhaltiger. So gibt es zum Beispiel die europäische Ökodesign-Richtlinie, die das Ziel hat, Umweltwirkungen von energieverbrauchsrelevanten Produkten wie Kühlschränken oder Staubsaugern zu mindern. Sie ist der Grund dafür, dass es keine Energie verschwendenden Glühbirnen mehr gibt und dass der Stand-by-Verbrauch von Elektrogeräten inzwischen sehr gering ist. Nach dem FCKW-Verbot gibt es auch seit 2015 ein Verwendungsverbot von teilhalogenierten ozonabbauenden Kältemitteln. Des Weiteren verpflichtet das Batteriegesetz seit 2006 die Hersteller und Importeure zur Rücknahme der anfallenden Altbatterien. Darüber hinaus begrenzt das Gesetz den Einsatz von Quecksilber und Cadmium in neuen Batterien (Schwermetallbegrenzung). Auch die Schadstoffemissionen und klimaschädlichen CO2-Emissionen von Autos werden durch europaweite Vorgaben – zwar noch viel zu langsam, aber in der Tendenz im Sinne des Umweltschutzes – nach unten reguliert. Dass es diese Gesetze gibt, ist sehr gut. Sie machen den nachhaltigen Einkauf wesentlich leichter.Pfade im Siegel-Dschungel
Keine Frage: Der gesetzliche Rahmen lässt Konsumenten noch viel zu oft beim nachhaltigen Einkauf allein. Andere Helfer treten aber auf den Plan: Sozial- und Umweltlabels zeigen uns im Supermarkt, im Reisebüro oder beim Autokauf an, welches Produkt „nachhaltiger“ als andere Produkte ist. Es gibt wenige Top-Siegel, mit denen man zwar nicht den ganzen Dschungel überblicken, sich aber einen gangbaren Weg bahnen kann. Mit der Energieverbrauchskennzeichnung, dem Bio-Siegel und dem Blauen Engel braucht man nur drei Siegel zu kennen, um bereits einen wichtigen Teil der Einkäufe unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten bewerten zu können. Der Blaue Engel deckt 120 Produktgruppen und Dienstleistungen ab, darunter zum Beispiel Recyclingpapier, Farben und Lacke, Plastiktüten und Fernseher. Beim Ökostrom kommen die Siegel „ok-power“ und „Grüner Strom“, beim Holzkauf FSC und PEFC und beim Textilkauf zum Beispiel das GOTS-Siegel hinzu. Mit der Kenntnis über die Top-Siegel verliert der Siegel-Dschungel schnell seinen Schrecken. (1)Gute Ratgeber griffbereit
Ein Siegel kann nicht alle Fragen beantworten. Und nicht alle Produkte haben ein (Top-)Siegel. Deshalb lohnt es sich, gerade bei größeren Einkaufsentscheidungen unabhängige Informationen einzuholen. Im Verbraucher-Portal des Umweltbundesamtes (2) beispielsweise finden sich zu unterschiedlichsten Produkten wie Blumenerde, Computer, Car-Sharing, Autoreifen oder Elektrorad kurz und knapp die wichtigsten Umwelttipps. Es folgen jeweils Erläuterungen für die praktische Umsetzung sowie Hintergrundinformationen zur Vertiefung und hilfreiche Links, wie zum Beispiel Produkttests. An Information herrscht im Internetzeitalter wahrlich kein Mangel.Vom Einkauf zum Konsum
Zu einem nachhaltigen Lebensstil gehört natürlich mehr dazu als nur der Einkauf. Es zählt die gesamte Art und Weise des Konsums: Wie wird geheizt? Welche Urlaubsreisen werden unternommen? Wie werden Produkte entsorgt? Wer klimaneutral leben möchte, als eine zentrale Mindestbedingung für einen nachhaltigen Lebensstil, stellt dabei mit dem UBA-CO2-Rechner (3) schnell fest: Die wichtigsten Stellschrauben, die den persönlichen CO2-Ausstoß bestimmen, haben nur bedingt etwas mit alltäglichem Einkauf zu tun. Im Bereich Mobilität sind dies die Zahl der Fernreisen, die zurückgelegten Autokilometer und der Kraftstoffverbrauch des Autos. Im Bereich Wohnen kommt es vor allem auf die Größe der Wohnfläche und den Dämmstandard in Bezug auf den Heizenergieverbrauch an. In der Ernährung sind der Konsum tierischer Produkte sowie die Art der Landwirtschaft entscheidend. Klimaneutral leben heißt deshalb auch, sich auf die „Big Points“ des nachhaltigen Konsums zu konzentrieren, bei denen der einzelne Verbraucher tonnenweise CO2-Vermeidung bewirken kann. In unserer Broschüre Klimaneutral leben (4) haben wir das beispielhaft für fünf unterschiedliche Personen durchgespielt. Für einen nachhaltigen Einkauf heißt dies im Umkehrschluss: Viele Einkaufsentscheidungen sind von eher nachrangiger Umweltrelevanz. Schön, wenn man sich trotzdem für die umweltfreundliche Variante entscheiden kann. Aber es ist eben auch kein „Drama“, wenn es mal nicht klappt oder man sich unsicher bezüglich der richtigen Entscheidung ist. „Spielentscheidend“ sind die Big Points.Einer für alle
Wenn Sie nachhaltiger einkaufen, ist das ein kleiner Schritt. Wenn Sie für eine Organisation anders einkaufen, werden hieraus schnell viele Schritte. Ob das Recycling-Druckerpapier mit dem Blauen Engel oder die Lebensmittelversorgung am nächsten Gemeindefest: Kaufen Sie „für andere“ nachhaltig ein, multiplizieren Sie Ihre Wirksamkeit. Beschaffer wissen das: Im Extremfall braucht es nur zwei umweltbewusste Verbraucher, um 100.000 Autos und 40.000 Hemden umweltfreundlich einzukaufen: Einen großen Autoverleiher und eine große Fluggesellschaft. Nachhaltige Beschaffung und die Aktivierung von Großverbrauchern ist deshalb ein geeigneter Ansatz zur Förderung von nachhaltigem Einkauf. Neben dem Verbraucherportal hat das Umweltbundesamt deshalb auch noch viele Vorlagen für Beschaffer auf: beschaffung-info.deEinfach machen
Ein nachhaltiger Lebensstil bedeutet, so zu leben, dass alle Menschen heute und in Zukunft so leben können wie ich. Nachhaltig einkaufen ist hierzu – neben anderen Handlungsmöglichkeiten wie politischem und gesellschaftlichem Engagement – ein wichtiger Beitrag. Bei jedem Einkauf die unter sozialen und ökologischen Aspekten beste Alternative zu finden und zu wählen, kann im Einzelfall tatsächlich ein Fass ohne Boden werden. Aber in der Tendenz können wir vor dem Hintergrund der fünf beschriebenen Strategien sagen: Es gibt in fast allen Produktbereichen „grüne Alternativen“, die zu einer geringeren Umweltbelastung führen, ohne den Produktnutzen zu schmälern. Nachhaltig einkaufen war deshalb für Verbraucherinnen und Verbraucher noch nie so einfach möglich wie heute. Wichtig ist dabei nur, dass wir uns nicht in Detailfragen verzetteln.1 Einen Überblick sowie Erläuterungen zu den 9 Top-Siegeln und auch zu weiteren empfohlenen Siegeln des Umweltbundesamtes finden Sie auf unserer Website (www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/siegelkunde). 2 Link: www.uba.de/umwelttipps 3 Link: www.uba.co2-rechner.de/de_DE/ 4 Link: www.umweltbundesamt.de/publikationen/klimaneutral-leben