Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union (EU): Bürgerbeteiligung auf allen politischen Ebenen
HINTERGRUND: Für viele Bürger/innen scheint das, was in „Brüssel“ oder „in der EU“ geschieht und entschieden wird, oft sehr weit weg und kaum durchschaubar zu sein. Seit einigen Jahren allerdings wurde diese Intransparenz und Distanz für alle Beteiligten in einem beispielhaften demokratischen Lernprozess schrittweise aufgebrochen.
von Dr. Brigitte Bertelmann, Referat Wirtschaft & Finanzpolitik, ZGV Die Verhandlungen zwischen der Handelskommission der EU und Kanada bzw. den Vereinigten Staaten von Amerika über neue Freihandelsverträge wurden von einer intensiven zivilgesellschaftlichen Debatte und einem politischen Meinungsbildungsprozess begleitet.Ermutigt durch zahlreiche regionale Gruppen, Initiativen und soziale Netzwerke, stellte das wesentlich von NGOs getragene Bündnis „Stop TTIP“ (Transatlantic Trade and Investment Partnership) den Antrag, als Europäische Bürgerinitiative registriert zu werden. Die EU-Kommission lehnte diesen Antrag ab. Dennoch setzte das Bündnis die Kampagne als selbstorganisierte Bürgerinitiative fort. „Stop TTIP“ wurde von 3 Millionen EU-Bürgern unterstützt und zum Thema im Wahlkampf zur Neuwahl des EU-Parlaments.
Dieses wird von den 380 Millionen Wahlberechtigten in den zurzeit 28 Mitgliedsländern der EU gewählt. Das Parlament hat Initiativrechte und Zustimmungsrechte gegenüber der Europäischen Kommission und wählt aufgrund eines Vorschlags des Europäischen Rates dessen Präsidenten. Die von diesem aufgrund der Vorschläge der nationalen Regierungen ernannten Kommissionsmitglieder (eines aus jedem Land) bedürfen ebenfalls der Zustimmung des Parlaments. Den Kommissaren wird vom Kommissionspräsidenten jeweils ein Arbeitsbereich zugeteilt.
Im Europäischen Rat, als dem politisch wichtigsten beschlussfassendem Organ der EU, sind die Regierungschefs der Mitgliedstaaten sowie der Präsident der EU-Kommission und der Präsident des Europäischen Rates vertreten. Hier werden die Leitlinien der europäischen Politik bestimmt.
Sowohl die direkt gewählten Parlamentarier auf nationaler und europäischer Ebene wie auch die von den Parlamenten gewählten Minister und Regierungschefs unterliegen damit der Kontrolle und dem politischen Einfluss der wahlberechtigten Bürger, sofern diese ihre demokratischen Rechte nutzen. Information und Transparenz über politisches Handeln spielt dabei natürlich eine wesentliche Rolle.
Die wesentlich verbesserte – wenn auch nicht in allen Teilen zufriedenstellende – neue Kommunikationskultur und Informationspolitik, die von Cäcilia Malmström als Handelskommissarin eingeführt wurde, wie auch die durch Bürgerengagement erreichten Zusagen, dass die Handelsabkommen nur mit Zustimmung der nationalen Parlamente in Kraft treten sollten, bis hin zu wichtigen inhaltlichen Punkten, die aufgrund der Initiative von EU-Parlamentariern in den Verhandlungen zum CETA umgesetzt wurden, haben deutlich gemacht, wie stark der Einfluss und die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger auf europäischer Ebene sein können.
Diese Erfahrungen können zukünftig ebenso bei anderen Entscheidungen von ähnlich weitreichender Bedeutung die Bereitschaft zu Transparenz und Offenheit auf der einen Seite sowie die Motivation, Politik auf allen Ebenen aufmerksam zu verfolgen und konstruktiv kritisch zu begleiten, stärken. Beides ist eine entscheidende Voraussetzung für die friedliche und nachhaltige Weiterentwicklung Europas. Viele Wege zu Macht und Einfluss
Direkte und indirekte Bürgerbeteiligung in der EU (Grafik)