Integrierte ländliche Strategien entwickeln – Widerstandsfähigkeit stärken
HINTERGRUND
Megatrends wie die Europäische Integration, die Verschärfung des globalen Innovationswettbewerbs, die Wirtschafts- und Finanzkrise oder der sprunghafte Anstieg der Staatsverschuldung tragen dazu bei, dass in Deutschland neue Formen territorialer Ungleichheit entstehen.
von: Dr. Maren Heincke, Referat Ländlicher Raum im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung „Die Vielfalt der Lebenswelten und -entwürfe hat in den Dörfern stark zugenommen. Statt schleichender Resignation sollte die Trauer über Traditionsabbrüche und Verluste zugelassen werden.“ Maren Heincke Wachstums- und Schrumpfungsprozesse liegen in Hessen und Rheinland-Pfalz teilweise räumlich nah beieinander. In vielen ländlichen Regionen überwiegt aufgrund von demografischem, wirtschaftlichem, technologischem und gesellschaftlichem Wandel die Schrumpfung. Trotzdem wird dort weiterhin auf dem Wachstumspostulat beharrt. Das führt dazu, dass trotz Leerstand und Verfall in Ortskernen neue Baugebiete auf der grünen Wiese ausgewiesen werden. Bei Schrumpfungsbedingungen muss jedoch aktiv nach neuen Antworten gesucht werden. Dies ist ein wichtiger gesellschaftspolitischer und mentaler Gestaltungsauftrag. Neben den unbestreitbar negativen Effekten kann bei Schrumpfung ein Brückenschlag zu tief gehenden Nachhaltigkeitsdiskursen gelingen. Derzeit zeigen sich zwei diametral verschiedene Grundausrichtungen für raumplanerische Zielsetzungen. Das bisher grundgesetzlich verankerte Ziel der „gleichwertigen Lebensverhältnisse“ wird bei den eher neoliberal orientierten Strategien fundamental in Frage gestellt. Es wird über staatlich geförderte großräumige Absiedlung, „Resträume“, „Sich-selbst-Überlassen“ der Entleerungsregionen, „Selbstverantwortungsräume für Raumpioniere“ versus „staatliche Garantiegebiete“ diskutiert. Hauptargument dafür sind die aufgrund des Rückgangs der ländlichen Bevölkerung stark steigenden Infrastrukturkosten pro Kopf. Staatliche Fördermittel sollen auf städtische Regionen konzentriert werden, da dort höhere wirtschaftliche Innovationseffekte zu erwarten wären. In einer Gegenbewegung dazu gibt es regionalplanerische Strömungen, die von einer Gestaltbarkeit der Schrumpfung ausgehen. Über Dorfmanager, Regionalbudgets, Zukunfts-Checks bei öffentlichen Investitionen, Flexibilisierung der Standards, können positive Zukunftsentwicklungen trotz Ressourcenrückgang ermöglicht werden. Tiefgreifende Veränderungen werden nicht mehr als Ausnahme- sondern als Dauerzustand verstanden. Die besonderen Stärken und Werte der verschiedenen ländlichen Räume werden hervorgehoben. Dörfer sollen bewusst qualitative Alternativen zum Stadtleben bieten. Großräumige Verantwortungs- und Solidargemeinschaften zwischen städtischen und ländlichen Räumen müssen erhalten bleiben. Zur Verwirklichung solcher Ansätze ist jedoch teilweise ein Mentalitätswechsel auf dem Land nötig. Die Vielfalt der Lebenswelten und -entwürfe hat in den Dörfern stark zugenommen. Statt schleichender Resignation sollte die Trauer über Traditionsabbrüche und Verluste zugelassen werden. Gleichzeitig können Visionen für die Regionen entwickelt und ein Bewusstsein für das bestehende Wertvolle geschaffen werden. Wichtige Faktoren sind Beheimatung, ländliche Kultur, Eigeninitiative, Dorfgemeinschaft, Naturnähe und viel Raum. Die Stärkung des Faktors Mensch ist entscheidend gegen soziale, kulturelle oder mentale Erosion. Unter den Bedingungen von Individualisierung müssen neue Formen sozialer Beziehungen etabliert werden. Kirche als gesellschaftspolitische und diakonische Kraft könnte im ländlichen Raum eine sehr wichtige Rolle einnehmen.