Industrie 4.0
BEISPIEL: Am Ende alles nur Science-Fiction? Fantasievolle Visionen irgendwelcher Nerds, ausgeheckt in abgedunkelten Räumen und den Weiten des Internets? Nein: Das, was derzeit unter dem griffigen, aber doch auch rätselhaften Begriff „Industrie 4.0“ diskutiert wird – die umfassende Vernetzung der Produktion, in der alle mit allen kommunizieren, Teile, Maschinen, Menschen –, ist mitnichten eine wirklichkeitsferne Phantomdebatte.
von Dr. Constanze Kurz, Ressortleiterin Zukunft der Arbeit, IG Metall „Wenn die zentrale, hierarchische Steuerung entfällt, können neue Gestaltungsspielräume entstehen. Dann wird auch die Arbeit besser, interessanter, verantwortungsvoller.“ Dr. Constanze Kurz Digitalisierung, daran gibt es keinen Zweifel, schreitet unaufhaltsam voran. Der Einzug des Internets der Dinge in die Fabrik, und damit in die Arbeitswelt, ist zu beobachten: Bosch, Siemens, Festo, Daimler, Volkswagen und viele andere Unternehmen haben sich mit der Wissenschaft zusammengeschlossen, überall werden Pilotlinien ausgebaut, täglich neue Versuchsanordnungen geschaffen. „Industrie 4.0“ beginnt, Gestalt anzunehmen, und wird, auch daran ist kein Zweifel, die Arbeit verändern. Ursache dafür ist, dass in der digitalen Fabrik eine völlig neue Produktionslogik herrscht: Sie gründet auf intelligenter Software und mikroelektronischen Bauteilen (Chips), mit der Maschinen und Produkte ausgerüstet sind. So „weiß“ etwa der Rohling, was er einmal werden soll, er kommuniziert selbstständig mit der Produktionsanlage, greift aktiv in den Produktionsprozess ein. Die Maschinen kommunizieren ihrerseits permanent untereinander und mit dem entstehenden Produkt. Solch eine internetbasierte, unablässige Kommunikation, in die auch der Kunde eingebunden wird, macht es möglich, dass die Produktion in Echtzeit umgestellt werden kann – etwa, wenn der Kunde per Internet Sonderwünsche eingibt. Eine zentrale Steuerung wird überflüssig, weil sich die einzelnen Komponenten in einem offenen System untereinander steuern. Noch ist nicht abzusehen, was all dies für die Beschäftigten und ihre Arbeit bedeutet. Klar aber ist, dass mit „Industrie 4.0“ Chancen wie Risiken verbunden sind. Wenn die zentrale, hierarchische Steuerung entfällt, können neue Gestaltungsspielräume entstehen. Dann wird auch die Arbeit besser, interessanter, verantwortungsvoller – und sich mehr in Richtung Problemlösung verlagern. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass die Wucht der getakteten Arbeit, das Maß der Unfreiheit, die prinzipiell mögliche verschärfte (Leistungs)kontrolle in der digitalen Fabrik beträchtlich zunimmt und zwar dann, wenn Maschinen und Computer tatsächlich jeden einzelnen Handgriff der Beschäftigten in Echtzeit kontrollieren, messen und bewerten und sogleich Fehlermeldungen senden. So weit darf es nicht kommen. Damit es nicht so weit kommt, muss Technik und Arbeitsgestaltung zusammen gedacht werden, muss das emanzipatorische Potenzial, das in „Industrie 4.0“ steckt, ausgeschöpft und im Sinne „guter Arbeit“ verwirklicht werden. Das wollen wir Gewerkschaften. Dafür setzt sich die IG Metall mit ganzer Kraft ein.