Mobilität im Ev. Dekanat Vogelsberg
AUS DER REGION: Das Ev. Dekanat Vogelsberg ist mit 1180 km² das größte Flächendekanat der Ev. Kirche in Hessen und Nassau. Knapp 50 000 evangelische Menschen leben in 153 Ortschaften. Sie bildeten bisher 80 Kirchengemeinden. Im Zuge vom Reformprozess EKHN 2030 haben sie sich zu 7 Nachbarschaftsräumen zusammengeschlossen.
von: Dr. Dorette Seibert, Dekanin im Ev. Dekanat Vogelsberg
Der Prozess EKHN 2030 sieht eine Reduktion der Pfarrstellen, der Gebäude und einen gemeinsamen Verwaltungsstandort für die Nachbarschaftsräume vor und es ist zusätzlich mit weniger Kirchenmitgliedern und mehr vakanten Pfarrstellen zu rechnen. Die Herausforderungen liegen auf der Hand: Kirche wird sich verändern. Dazu ist ein hohes Maß an Mobilität (= Beweglichkeit) erforderlich: im Denken, im Planen und in der Umsetzung.
Auch wenn ich in diesem Sinne Mobilität sehr grundsätzlich verstehe, möchte ich mich im Folgenden auf die Frage nach Verkehrsmobilität beschränken. Vorausschicken möchte ich dabei, dass Strecken innerhalb der Nachbarschaftsräume oft sehr groß sind (z. T. über 25 km), der ÖPNV nur sehr begrenzt verfügbar ist und die meisten Menschen gewohnt sind, ihre Wege mit privaten Pkws zurückzulegen.
„Wenn Mobilität selbst zum Thema gemacht wird, hat dies Konsequenzen für unser kirchliches Handeln.“
Dr. Dorette Seibert
Welche Mobilitätsfragen stellen sich für die Nachbarschaftsräume im Dekanat?
Wenn wir neben den kirchlichen Entwicklungen die ökologischen und ökonomischen Herausforderungen der Gegenwart ernst nehmen, muss das Thema Mobilität umfassend bedacht werden.
- Was findet zukünftig wo statt (Themen, Räume, Frequenz) und wie berücksichtigen wir die Erreichbarkeit?
- Welche Fahrtstrecken und Fahrzeiten müssen für Planung, Durchführung und Teilnahme eingeplant werden? Welche Kosten sind damit verbunden?
- Können wir Synergien nutzen?
- Kann Kirche weiterhin (auch) im Dorf bleiben?
- Wie kommunizieren wir diese Überlegungen?
Mit welchen Problemen ist zu rechnen?
- Dass die Bereitschaft, auf rein individuell steuerbare Mobilität zu verzichten, niedrig ist und Menschen, die nicht mehr selbst Auto fahren können, dann eher zu Hause bleiben.
- Dass kirchliches Leben nur noch an zentralen Orten stattfindet und sich z. B. die Menschen an den Rändern der Nachbarschaftsräume „abgehängt“ fühlen.
- Dass Menschen mit eingeschränkter Mobilität (Kinder, Jugendliche, Senior:innen) aus dem Blick geraten.
Welche Lösungsmöglichkeiten kann es geben?
Wenn Mobilität selbst zum Thema gemacht wird, hat dies Konsequenzen für unser kirchliches Handeln. Einige Beispiele:
- Langfristige Planungen für Veranstaltungen sind nötig, damit die Infrastruktur vor Ort (z. B. kommunale Bürgerbusse) mitgenutzt werden kann und Zeit genug ist, um z. B. gemeinsame Fahrten zu organisieren (z. B. zum Konfi-Unterricht).
- Dass Planungen für Veranstaltungen z. B. mit anderen Gruppen/Vereinen/Institutionen koordiniert werden (z. B. städtische Seniorennachmittage mit einem Gottesdienstangebot oder Kinderchorangebote mit dem Nachmittagsprogramm in Kitas oder Schulen).
- Dass „Mobilität“ im Nachbarschaftsraum zum Thema gemacht wird (z. B. auf Veranstaltungshinweisen berücksichtigt, über regionale Mobilitätswettbewerbe ins Bewusstsein gerufen bzw. über die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen beispielhaft umgesetzt wird).
- Dass wir bewusst mit Menschen, die nicht mobil sein können/wollen, gemeinsam überlegen, wie „Kirche“ in ihrer Situation für sie da sein kann.
- Gute Vernetzung, Kommunikation und Stärkung des Ehrenamtes sind unbedingt erforderlich.
Eine weitere Konsequenz wäre, dass wir selbst an der Infrastruktur und Wahrnehmung von Mobilität mitwirken, indem wir:
- z. B. digitale Möglichkeiten (Apps) unterstützen, um Fahrgemeinschaften zu bilden.
- Kirchen und Gemeindehäuser so ausstatten, dass Veranstaltungen gestreamt werden können bzw. digitale Treffen möglich sind.
- E-Ladesäulen für Autos und Fahrräder an möglichst vielen kirchlichen Orten vorsehen.
- z. B. höhere Anreize für das Bilden von Fahrgemeinschaften schaffen.
Insgesamt möchte ich an einer Haltung arbeiten, die gemeinsame Wege auch gemeinsam zurücklegt und wo ein Mensch uns braucht, uns trotzdem kein Weg zu weit ist.