Bodengesundheit ist überlebensnotwendig
NACHGEFRAGT: Perspektiefe befragte Dr. Ilka Engell, wissenschaftliche Geschäftsführerin der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft
Welche Dimension hat die Bodenzerstörung bereits?
„A nation that destroys its soils destroys itself“, sagte bereits Franklin D. Roosevelt (1882–1945). Dennoch ist die Bodenzerstörung ein Phänomen, das von der Gesellschaft weiterhin kaum wahrgenommen wird, aber stetig voranschreitet. Für den Bodenschutz sind Jahre, selbst Generationen nicht ausreichend, um den Folgen anthropogener Einflüsse entgegenzuwirken. In Deutschland sind Böden hauptsächlich durch Versiegelung, Kontamination mit Schad- und Fremdstoffen, Erosion, Unter- oder Überversorgung mit Nährstoffen, Versauerung und Verdichtung gefährdet.
Immer noch werden in Deutschland täglich etwa 54 Hektar (Durchschnitt: 2017–2020) in Siedlungs- oder Verkehrsfläche umgewandelt. Zwischen den Jahren 1993 bis 2003 lag die Flächeninanspruchnahme noch bei 120 Hektar pro Tag. Ein Ziel der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung besteht darin, die Neuinanspruchnahme von Flächen auf weniger als 30 Hektar pro Tag zu reduzieren. Flächenversiegelung führt dazu, dass der Boden seine natürlichen Funktionen, wie z. B. Kühlfunktion durch Wasserverdunstung, nicht mehr erfüllen kann. Die natürliche Fruchtbarkeit von Standorten geht verloren, denn sowohl Pflanzen als auch Bodentiere können in einem System, in dem der Austausch von Luft und Wasser stark beeinträchtigt ist, kaum überstehen.
Auch der zunehmende Eintrag von Mikroplastikpartikeln (< 5 mm) beeinflusst nicht nur die menschliche Gesundheit, sondern wirkt sich auf das gesamte Ökosystem aus. Nach einer internationalen Studie der TU Berlin zeigte sich, dass Klärschlamm, neben vielen weiteren Faktoren wie Kompost, Mulchfolien, Müll und Reifenabrieb, die Hauptursache für diese Entwicklung ist.
Die unsachgemäße Behandlung, die Lagerung bzw. die Ablagerung von Abfällen sowie ein unsachgemäßer Umgang mit umweltgefährdenden Stoffen im Boden werden als Altlasten beschrieben. Eine zukünftige Herausforderung wird weiterhin sein, wie mit solchen Flächen umgegangen werden kann (bspw. bei Entsiegelung). Hierbei sind Sanierungskonzepte für entsprechende Schadensfälle und eine länderübergreifende Umsetzung erforderlich.
Ein Viertel der deutschen Ackerflächen ist winderosionsgefährdet und ein Drittel weist eine hohe Gefährdung gegenüber Wassererosion auf. Erosion beschreibt den Abtrag humosen Oberbodens durch Wasser oder Wind. In Deutschland gehen so im Schnitt 1,4 bis 3,2 Tonnen Boden je Hektar und Jahr verloren. Gründe hierfür sind neben inhärenter Standortbedingungen die Bewirtschaftung. Besonders Flächen ohne Bewuchs sowie verdichtete Böden ohne intakte Bodenstruktur sind erosionsanfällig.
Auch eine Unter- oder Überversorgung mit Nährstoffen kann zu einer Veränderung der Böden führen mit einhergehenden Auswirkungen auf die Biodiversität und den Wasserhaushalt. Die Versauerung von Böden spielt ebenso nach wie vor eine Rolle. Nach aktueller Bodenzustandserhebung landwirtschaftlicher Böden des Thünen-Institutes liegen 42 % der mineralischen Böden unter Acker und 57 % der Grünlandböden unterhalb eines anzustrebenden pH-Optimums. Auch viele Waldböden sind stark versauert. Als weiterer Punkt ist die Verdichtung zu nennen: Nach Angaben des Umweltbundesamtes sind etwa ein Drittel deutscher Ackerböden gefährdet.
„Daher bestimmt die Gesundheit unserer Böden weite Bereiche unseres täglichen Lebens. Böden sind die essenzielle Grundlage für sauberes Trinkwasser, eine ausreichende Versorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln und die biologische Vielfalt.“
Dr. Ilka Engell
Welche Funktionen haben Böden und warum ist ihr Schutz so wichtig?
Die Eigenschaften eines Bodens hängen stark von den Standortbedingungen, wie Ausgangsgestein, Klima oder Relief sowie der Nutzungsgeschichte ab. Diese bestimmen das Potenzial zur Erzeugung pflanzlicher Rohstoffe, die Bereitstellung von Trinkwasser sowie die Speicherung von Kohlenstoff und Wasser. Auch das Habitat für zahlreiche Bodentiere sowie Mikroorganismen, die für einen funktionierenden Stoffkreislauf im Boden verantwortlich sind, wird durch die Bodeneigenschaften geprägt.
Daher bestimmt die Gesundheit unserer Böden weite Bereiche unseres täglichen Lebens. Böden sind die essenzielle Grundlage für sauberes Trinkwasser, eine ausreichende Versorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln und die biologische Vielfalt. Die Bodendecke spielt als größter terrestrischer Kohlenstoffspeicher zudem unumstritten eine Schlüsselrolle im Klimaschutz. In Krisensituationen wird die Bedeutung von Böden besonders sichtbar: Verwehungen mit einhergehendem Abtrag von Oberbodenmaterial bedingen bspw. Gefährdungen im Straßenverkehr, oder zunehmende Starkregenereignisse, die zu Bodenabtrag, Hangrutschungen und Überschwemmungen führen. Ist der Boden nicht intakt, treten gesamtgesellschaftlich relevante Ereignisse auf. Diese führen zu Situationen, die auch mit beträchtlichen wirtschaftlichen Schäden verbunden sind.
Welche Schutzmaßnahmen gibt es?
Die Gründe, warum Böden bisher nicht ausreichend geschützt werden, sind vielfältig. Zum einen spielen wirtschaftliche Entscheidungen eine große Rolle, zum anderen gibt es ein hohes Maß an Zielkonflikten zwischen beteiligten Akteuren. Die Umsetzung von Bodenschutzmaßnahmen wird außerdem durch einen Fachkräftemangel erschwert. Dieser wird u. a. durch die Entkopplung universitärer Ausbildung von der bodenkundlichen Praxis und behördlichem Bodenschutz bestimmt. Darüber hinaus stellt das Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) im Bereich des vorsorgenden Bodenschutzes praktisch kein geeignetes Instrumentarium dar, d. h., Bodenschutzrecht existiert bisher nur subsidiär und wird durch andere Regelwerke bestimmt.
Den Bodenschutz verpflichtend zu machen, ist daher ein wichtiges politisches Anliegen der Umweltministerkonferenz (2021). Unter Mitwirkung von Bund und Ländern wird als Folge dessen das BBodSchG einer eingehenden Prüfung unterzogen, um den vorsorgenden Bodenschutz auch rechtlich weiter zu stärken. Hierbei stehen insbesondere die Herausforderungen des Klimaschutzes und der Erhalt der biologischen Vielfalt im Fokus. Eine Novellierung des nationalen Gesetzes ist der nächste Schritt. Parallel hierzu schreitet auf EU-Ebene die Ausarbeitung einer Bodenstrategie für 2030 voran. Ziel dieser Strategie ist es, dass sich alle Bodenökosysteme bis zum Jahr 2050 in einem gesunden Zustand (d. h. biologisch, chemisch und physikalisch) befinden und ihre Funktionen erfüllen können. Der für dieses Jahr geplante Legislativvorschlag zum Bodengesundheitsgesetz stellt den Kern der EU-Bodenstrategie dar. Um den Zustand der Böden auch auf internationaler Ebene besser zu erfassen, werden ein stärkerer Austausch von Bodendaten und eine Förderung des Monitorings angestrebt.
Ist Kohlenstoffspeicherung ein Markt?
Bei der Bodenzustandserhebung Landwirtschaft wurde erstmals eine umfassende und repräsentative Inventur der Kohlenstoffvorräte in landwirtschaftlichen Böden in ganz Deutschland durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass allein die landwirtschaftlichen Böden über zwei Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichern. Eine angepasste Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen kann einen Beitrag leisten, mehr Kohlenstoff zu speichern. Dies kann mithilfe von Zwischenfruchtanbau, Blühstreifen oder Untersaaten sowie das Anlegen von Hecken umgesetzt werden. Diese Maßnahmen müssen allerdings entsprechend vermarktet werden, denn hierfür werden finanzielle Mittel gebraucht. Derzeit besteht großer Bedarf an Forschung, um eine Berechnung der Klimabilanz eines gesamten Produktionsverfahrens sicher abschätzen zu können. Besonders zu betonen ist, dass der Erfolg solcher Maßnahmen nur mithilfe von langfristigen Beobachtungen (z. B. Messungen von Humusgehalten) verifiziert werden kann.
Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft
Weiterführende Informationen finden Sie unter www.dbges.de