Wir machen Türen auf
„Herzlich willkommen in der deutschen meteorologischen Bibliothek.“ Mit diesen Worten und einem gewinnenden Lächeln begrüßte deren Leiterin Britta Bolzmann die Besuchergruppe in den Räumen des Deutschen Wetterdienstes und der nationalen Bibliothek für Meteorologie in Offenbach. Nach einer ersten Einführung in die Systematik der Bibliothek und deren Geschichte durften sich die Gäste in den heiligen Räumen des Archivs selbst von einigen echten Schätzen der Wetteraufzeichnung überzeugen. Ein Druck aus dem Jahr 1483 oder Tagebuchaufzeichnungen aus dem 16. Jahrhundert versetzten die Besucher:innen nicht selten in Staunen. Eindrücklich beschrieb Bolzmann dabei die Wirkkraft des einstigen Leiters des Königlich Preußischen Meteorologischen Instituts Gustav Hellmann und dessen großer Einfluss auf die Herausbildung der Meteorologie als Wissenschaft im angehenden 19. Jahrhundert.
Dr. Rainer Hollmann, der im Ehrenamt auch stellvertretender Präses des ev. Dekanats Dreieich-Rodgau ist, hatte für die Gäste beim Deutschen Wetterdienst ein interessantes Programm geplant. Nach einem Gang durch das Haus, auch entlang des „Supercomputers“, dem niemals still stehenden Herz des Rechenzentrums, ging es hinauf in die Räume des Weltzentrums für Niederschlagsklimatologie. Auch hier kam das Thema wieder auf Gustav Hellmann, der 1886 einen neuen Niederschlagsmesser entwickelte und flächendeckend einführte. Auch im 21. Jahrhundert ist dieser noch (mit Modifikationen) gebräuchlich.
Der Leiter der Abteilung Hydrometeorologie, die in das Zentrum eingebettet ist, Dr. Frank Kaspar zeigte, wie hier gearbeitet wird und führte eindrücklich vor Augen, wie sich die Temperatur- und Niederschlagskurven in den letzten Jahrzehnten in Deutschland und Hessen entwickelt haben. „Die Trendlinie der Temperatur zeigt eine Erwärmung von 1,7 Grad. Von einem erfolgreichen internationalen Klimaschutz kann man erst sprechen, wenn die Kurve der Treibhausgase in der Atmosphäre flacher wird“, so Dr. Kaspar. Dabei sei es, so fügte er an, auch keine Lösung, in Blick auf Klimaschutz mit dem Finger auf andere zu zeigen, „denn wer die Wissenschaft und die technischen Fähigkeiten hat, hat auch die Verpflichtung, etwas zu tun und zu zeigen, dass es anders geht. Jedes Zehntel Grad zählt.“ Zentrale Aufgabe des Deutschen Wetterdienstes ist darum neben Wetterprognosen für die Seefahrt, die Luftfahrt oder für die allgemeinen Wetternachrichten auch die Politikberatung. Dr. Kaspar verweist auch darauf, dass der DWD auch die Informationen zur Planung und zum Bau erneuerbarer Energieträger wie Wind- und Sonnenenergie liefert und die Netzbetreiber mit Wetterprognosen unterstützt. Neben der Analyse des Problems trägt er also auch zur Entwicklung von Lösungen bei. „Zugleich zeigt jedes Jahr, dass wir beim Klimaschutz noch nicht auf dem richtigen Weg sind,“ fügte Dr. Rainer Hollmann an, „die Daten dazu waren schon in den 90er Jahren bekannt. So war das Jahr 2022 in Deutschland mehr als 2 Grad wärmer als der Durchschnitt der von 1961-1990 gemessenen Temperatur.“
Der Besuch beim Deutschen Wetterdienst war eine Begegnung mit hoch engagierten Wissenschaftler:innen und zugleich auch eine Begegnung mit der Dramatik des Klimawandels, vor Augen geführt in dramatisch steigenden Temperaturkurven, sinkenden Niederschlägen und sich mehrenden Hitzewellen. Dass diese validen wissenschaftlichen Ergebnisse noch immer so wenig Maßstab politischer Entscheidungen sind, ließ so manche/n Besucher:in zwar mit reicherem Wissen, doch auch desillusionierter nach Hause gehen.
Die Reihe "Wir machen Türen auf" ist eine Kooperation zwischen den Ev. Dekanaten und dem Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN
von Pfarrerin Sandra Scholz, Profilstelle Gesellschaftliche Verantwortung im Ev. Dekanat Dreieich-Rodgau