Bericht der Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“
Der Bericht der Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“, wurde am 27. März 2020 der Öffentlichkeit vorgestellt.
Hintergrund
Die gesetzliche Rente für alle Generationen langfristig gerecht und zuverlässig auszugestalten, war das Vorhaben der Großen Koalition. Sie setzte dazu 2018 eine Kommission ein, mit dem Ziel, Vorschläge für die nachhaltige Sicherung und die Fortentwicklung der Alterssicherungssysteme ab dem Jahr 2025 zu erarbeiten. Dieses Vorhaben ist grundsätzlich zu begrüßen. Da Weichen für eine Alterssicherung langfristig gestellt werden, müssen Entscheidungen frühzeitig getroffen werden.
Ab dem Jahr 2025 werden große Teile der sog. Babyboomer-Generation in Rente gehen, die Lebenserwartung der Bevölkerung steigt und weniger junge Erwerbstätige zahlen in die Rentenkasse ein, was das jetzige Rentensystem vor große Herausforderungen stellt. So war die Vorgabe der Bundesregierung für die Kommission , Vorschläge zu erarbeiten, wie das Rentensystem zukunftsfähig gestaltet werden kann, um die zu erwartenden finanziellen Mehrbelastungen im Rentensystem neu zu justieren. Dabei sollten sowohl die Beiträge als auch das Rentenniveau abgesichert werden.
Grundsätzlich wird daran festgehalten, dass die gesetzliche Rente weiterhin der Kern der Alterssicherung in Deutschland bleiben soll. Die betriebliche und private Vorsorge sollen diese ergänzen. Ebenso wird auch an dem Umlageverfahren festgehalten.
Doppelte Haltelinien sollen Beitragszahler*innen und Rentner*innen vor Überforderung schützen
Die Kommission schlägt für die Zeit nach 2025 eine „doppelte Haltelinie“ vor, gemeint ist damit die Höhe des Rentenbeitrages und die des Rentenniveaus. Deren Höhe soll dann alle sieben Jahre neu festgelegt werden, um Beitragszahler*innen und Rentner*innen „vor Überforderung zu schützen“, heißt es im Bericht.
Dazu benennen die Expert*innen sogenannte Korridore. So soll der Rentenbeitrag (derzeit 18,6 Prozent) nicht über einen Korridor von 20 bis 24 Prozent steigen und das Rentenniveau (siehe dazu die Erläuterungen im Kasten), derzeit 48 Prozent, soll nicht unter eine Grenze von 44 bis 49 Prozent sinken.
Die Festlegung einer doppelten Haltelinie von Beitragssatz und Rentenniveau ist grundsätzlich zu begrüßen, denn es begrenzt die Belastungen der Zahler*innen, und für die Empfänger*innen gilt das Versprechen weiter, an der Wohlstandsentwicklung partizipieren zu können.
Vertrauen in das Rentensystem gilt es zu fördern
Ein weiteres Absenken des Rentenniveaus unter 48 Prozent lässt allerdings das Vertrauen der Menschen in die gesetzliche Rente weiter schwinden. Nur wenn ein System diesem Anspruch gerecht wird, können gerade auch jungen Menschen ihm vertrauen und sind bereit dafür auch einzuzahlen. Nur etwa ein Drittel der Bevölkerung setzte laut einer Umfrage der Frankfurter Rundschau und der IG Metall 2016 darauf, von der gesetzlichen Rente später gut leben zu können.
Vermeidung von Altersarmut spielt keine große Rolle
Grundsätzlich weist der Bericht keine konkreten Vorschläge zur langfristigen Bekämpfung von Altersarmut auf. Es fehlen konkrete Vorschläge für Personengruppen, die besonders häufig von Altersarmut betroffen sind, wie z.B. Erwerbslose, Niedriglohnempfänger*innen, Solo-Selbstständige und vor allem auch Frauen. Im Bericht fehlen Vorschläge, wie z.B. die Rentenformel so modifiziert werden kann, dass „Fehlzeiten“ zukünftig bei Menschen, die keine durchlaufende Vollzeiterwerbsbiografie vorweisen können, eine andere Gewichtung erfahren. So wird bereits aus der Zielsetzung deutlich, dass die Frage der Vermeidung von Altersarmut eine untergeordnete Rolle spielte.
Frauen finden nur am Rande Erwähnung
Die Situation von Frauen wird insgesamt in dem Bericht nur am Rand thematisiert. Zwar empfiehlt die Kommission die Einführung eines „Gender-Checks“, der vorsieht, dass bei allen Gesetzgebungsverfahren eine geschlechterdifferenzierende Folgenabschätzung gemacht wird, aber zentrale weitere Punkte zur Bekämpfung von Frauenarmut fehlen. Die Annahmen für die Empfehlungen basieren weiterhin auf dem sog. Eckrentner , sprich dem „männlichen“ Lebenslauf .
Bereits 2019 diagnostizierte die Studie der OECD, dass Deutschland mit 46 % innerhalb der OECD Staaten eine der größten Geschlechter-Rentenlücke (Gender Pension Gap) aufweist. Da das geschlechtsspezifische Lohngefälle über dem OECD-Durchschnitt liegt und viele Frauen in Deutschland in Teilzeit arbeiten, dürften zukünftige Rentenansprüche von Frauen im Vergleich zu Männern weiter niedrig bleiben, wenn keine systemrelevanten Änderungen vorgenommen werden.
Weitere Finanzierungsquellen für die Einnahmenseite werden nicht diskutiert
Gänzlich unerwähnt bleiben Vorschläge zur Erhöhung der Beiträge aus anderen Einnahmequellen, wie z.B. die Einbeziehung von Beamt*innen und Selbstständigen. Auch Vorschläge, höhere Einkommen stärker mit Rentenbeiträgen zu belegen (z. B. durch Erhöhung oder Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze ohne Erhöhung der entsprechenden Rentenansprüche) sucht man in dem Bericht vergeblich.
Die Frage des Renteneintrittsalters wird vertagt
Einer der spannendsten Punkte und gleichzeitig auch ein sehr umstrittener in der Kommission ist die Frage, ob das gesetzliche Renteneintrittsalter weiter steigen soll. Die einen plädierten dafür, die Altersgrenze nach dem Jahr 2031, wenn die Rente mit 67 erreicht ist, auch weiter anzuheben. Von anderer Seite, nicht nur von den Gewerkschaften, gibt es dazu erheblichen Widerstand. Im Ergebnis wird diese Frage vertagt. Im Jahr 2026 soll dazu ein neu zu gründender Alterssicherungsbeirat eine Einschätzung abgeben, „ob und in welcher Weise die Anhebung der Altersgrenzen erforderlich und vertretbar“ ist.
Fazit: Vorschläge der Rentenkommission sind unzureichend
Insgesamt sind die Empfehlungen der Kommission Verlässlicher Generationenvertrag enttäuschend. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass konkrete Vorschläge für die Bekämpfung von Altersarmut fehlen. Wichtige Fragen, wie eine auskömmliche Rente für die Versicherten langfristig über das Jahr 2025 hinaus, gesichert werden kann werden verschoben. Angesichts der großen Herausforderungen bei der Alterssicherung wäre es an der Zeit gewesen, über grundlegende Veränderungen im System nachzudenken, die auch den Veränderungen der sich rasch wandelnden Arbeitswelt Rechnung tragen.
Daher, so auch das Fazit des Bündnisses für Soziale Gerechtigkeit in Hessen gegen Altersarmut, kann dieser Bericht nicht als konstruktive Bearbeitung drängender Probleme angesehen werden.
Das Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung ist zusammen mit dem Netzwerk Leben im Alter in der EKHN Mitglied im Bündnis für Soziale Gerechtigkeit in Hessen und unterstützt aktiv die Kampagne und ihre Forderungen gegen Altersarmut mit diversen Aktionen.
Forderungen für eine auskömmliche Altersversorgung sind:
? Anhebung des Rentenniveaus auf mindestens 50 Prozent
? Keine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters
? Bessere Bewertung von niedrigem Einkommen in der gesetzlichen Rente
? Gesetzlich festgeschriebene Entgeltgleichheit von Frauen und Männern sowie
Eindämmung des Niedriglohnsektors, um (Frauen-)Altersarmut vorzubeugen
? Entrichtung von Rentenbeiträgen während des Bezugs von Arbeitslosengeld II
Kommission Verlässlicher Generationenvertrag (2020): Bericht der Kommission Verlässlicher Generationenvertrag, Berlin, März 2020
Rentenniveau
Ein Begriff, der immer wieder in der Diskussion auftaucht und oft missverstanden wird.
Das Rentenniveau soll aufzeigen, wie sich die Rentenzahlungen an Ruheständler im Verhältnis zum Durchschnittsverdienst der Arbeitnehmer*innen entwickeln. Das Rentenniveau ist also eine statistische Größe, die beschreibt, wie sich die Gesamtheit der Renten in Deutschland grundsätzlich entwickelt.
Es ist keine individuelle Größe, sondern bezieht sich immer auf den Durchschnittswert. Grundlage bildet die sog. „ Eckrente“ basierend auf der Regelaltersrente. Sie gibt an, wie hoch die gesetzliche Rente eines Durchschnittsverdieners nach 45 Beitragsjahren ist. Beim aktuellen Rentenniveau von rund 48 Prozent bedeutet das: Nach 45 Beitragsjahren erhalten Eckrentner mindestens 48 Prozent des dann aktuellen Durchschnittsverdienstes.
Auf die Höhe der persönlichen Rente können vom Rentenniveau keine Rückschlüsse gezogen werden. Auch wenn das Rentenniveau sinkt, kann es sein, dass die eigene Rente dennoch steigt.