#MeinEuropa: Mauern gab es lange genug
Am 1. Mai 2004 ist Polen der EU eingetreten. An diesem Tag stand ich mit meiner Familie auf einer Brücke in Cieszyn, in einer Grenzstadt zwischen Polen und Tschechien. Diese Brücke war immer ein Symbol der Teilungen. Man lebte im Schatten der Grenze in einer geteilten Stadt mit Familienteilen auf der anderen Seite. In kommunistischer Zeit durfte man die Brücke ohne einen besonderen Pass nicht betreten. Die Kontrolle war streng und genau. Und plötzlich ist die Zeit gekommen, in der ich auf der Brücke stand überglücklich und ich sah unsere Zukunft in bunten Farben. Damals als 26-jährige Frau dachte ich, es kann nichts schiefgehen. Meine Träume von Freiheit, von einem gemeinsamen Haus „Europa“ sind endlich erfüllt. Diesen Augenblick vergesse ich nie. Jetzt, da ich an den Demonstrationen gegen die antidemokratischen Änderungen in Polen teilnehme, habe ich Tränen in den Augen, weil ich den Eindruck habe, dass jemand versucht mir meinen Traum wegzunehmen. Ich bin Polin aber gleichzeitig auch Europäerin. Wichtig ist mir nicht nur der Ort, wo ich lebe, sondern auch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft von Menschen, zu einer freien, demokratischen Welt in ihrer ganzen Buntheit. Mauern gab es lange genug, doch sie machten die Menschen nicht glücklich.Anna Wrzesinska, Ökumenereferentin der Ev.-Augsburgischen Kirche in Polen