Übrigens! Wussten Sie schon.......?
In Rheinland Pfalz und Hessen leben mehr als 200.000 minderjährige Kinder in Familien, die von Hartz IV leben müssen. Darunter sind 13.484 Kinder im Alter von 6 Jahren. Für diese geht am 7. September 2015 zum ersten Mal die Schule los. Ein aufregender, ein wichtiger Tag!Des Bildungsministeriums Rheinland-Pfalz beschreibt in einer Broschüre diesen Tag als Festtag für die Kinder und empfiehlt den Eltern: „Der erste Schultag Ihres Kindes sollte Grund genug sein, dass Sie sich von anderen Verpflichtungen frei machen und mit der ganzen Familie den ersten Schultag als besonderen Festtag für Ihr Kind gestalten. Das äußere Zeichen dieses Tages ist natürlich die Schultüte…. Neben den Süßigkeiten sollte die Schultüte auch sinnvolle kleine Spiele, vielleicht ein CD, eine Kinderschere, Buntstifte oder Ähnliches enthalten. Sie wissen selbst am besten was Ihrem Kind Freude macht.“
Nun, was ihren Kindern eine Freude macht, das wissen die Eltern, die von Hartz IV leben müssen, bestimmt. Was sie nicht wissen, ist, wie sie diesen besonderen Festtag mit seinen kaum vermeidbaren Kosten finanzieren sollen.
Nach einer repräsentativen Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) aus dem Jahr 2013, gaben Eltern zum Schulstart 2013 allein für Schulranzen oder Schulrucksäcke sowie Stifte und Schulfüller durchschnittlich 238 Euro aus. Nicht erfasst wurden dabei Ausgaben für Schulbücher, Hefte, Sportzeug, für die Schultütenfüllung, das Essengehen oder Kaffeetrinken mit der gesamten Familie am Tag der Einschulung. Rechnet man dies alles zusammen ist man schnell bei einem Betrag von mehreren Hundert Euro.
Was davon wird im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets übernommen? Mit welcher Unterstützung können die Familien rechnen?
Laut § 28 Abs. 3 Sozialgesetzbuch II (SGB II) erhalten Schülerinnen und Schüler für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf für jedes Schuljahr jeweils zum 1. August eines Jahres 70 Euro und zum 1. Februar 30 Euro. Dabei zählen lt. Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. zum Schulbedarf neben Schulranzen, Schulrucksack und Sportzeug insbesondere die für den persönlichen Ge- und Verbrauch bestimmten Schreib-, Rechen- und Zeichenmaterialien (z.B. Füller, Kugelschreiber, Blei- und Malstifte, Taschenrechner, Geodreieck, Schulhefte und Mappen, Tinte, Radiergummis, Bastelmaterial, Knetmasse). Siehe: Deutscher ‚Verein für öffentliche und private Fürsorge
Bei Einschulung eines Kindes können die 70 Euro, die nach § 28 SGB II im August gezahlt werden, nach Vorlage eine Schulbescheinigung über die Einschulung nachträglich an die Familien ausgezahlt werden. Das heißt, die Familien müssen erst einmal in Vorleistung treten, bevor sie die 70 Euro erhalten. Bis zur Auszahlung kann es nach Vorlage der Bescheinigung je nach JobCenter schon einmal bis zu vier Wochen dauern. In den Folgejahren ist dann eine gesonderte Antragsstellung für die Leistung nicht mehr notwendig, d.h. die 30 Euro im Februar und die 70 Euro im August werden automatisch für jedes Schulkind mit der Regelleistung ausgezahlt. Weitere Unterstützung ist seitens des SGB II für den besonderen Tag der Einschulung nicht vorgesehen. Alle Ausgaben müssen von der knappen Regelleistung über Monate angespart oder von Opa und Oma, Tanten oder Onkeln geschenkt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass man eine Familie hat, die eine solche Unterstützung leisten kann. Durchaus keine Selbstverständlichkeit.
Spendenaktionen zum Schulstart
Googelt man aktuell nach „Spendenaktion Schulstart“ erhält man innerhalb von nicht mal einer Sekunde 16.400 Treffer. Wohlfahrtsverbände, Tafeln und auch Unternehmen rufen auf und sammeln, wofür der Hartz IV Regelsatz trotz Bildungs- und Teilhabepaket, nicht ausreicht. Auch Kommunen springen ein, so zahlt die Stadt Mainz seit Jahren einen zusätzlichen Zuschuss für Schulmaterialien in Höhe von 50,00 Euro für Schüler und Schülerinnen der jeweils 1., 5. oder 7. Klassenstufe. Der Mangel ist also durchaus bekannt.
Wiedereinführung einmaliger Leistungen
Doch es darf nicht sein, dass Teilhabe und Bildungschancen für Kinder, die von Hartz IV leben, abhängig sind von Spendenaktionen und freiwilligen sozialen Leistungen der Kommune. Eine Rückbesinnung auf das Sozialstaatsgebot und eine Stärkung der Rechtsansprüche Hilfebedürftiger ist daher dringend notwendig. Dazu gehört eine Neubestimmung bedarfsgerechter SGB II Regelsätze für Erwachsene und Kinder, um ihnen ein menschenwürdiges Existenzminimum staatlich zu garantieren sowie die Wiedereinführung einmaliger Leistungen für besondere Bedarfe wie zum Beispiel der Einschulung von Kindern. (vgl. Stellungnahme des KDA „Hartz-IV-Ökonomie“, Mai 2011)
Diakonie und Kirche fordern von daher seit Jahren eine Neuberechnung des Regelsatzes, der lt. Einschätzung der Diakonie für einen Erwachsenen mindestens 70 Euro höher, als die im Moment gültigen monatlich 399 Euro für einen alleinstehenden Erwachsenen, sein müsste.
Marion Schick, Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung, Referat Arbeit & Soziales