Kinderarmut kann lebenslange Folgen haben
„Jedes Kind braucht eine Zukunft“ ist das Motto des Weltkindertages 2023 – eine auch in Deutschland relevante Forderung, denn Kinderarmut schränkt (Zukunfts)Chancen ein: Chancen auf soziale Teilhabe, Bildungschancen, Lebenschancen.
Die aktuelle politische Debatte um die Kindergrundsicherung hat das Thema Kinderarmut stärker in das gesellschaftliche Bewusstsein gerückt. Jedoch wird aktuell in diesem Zusammenhang in erster Linie über Geld diskutiert. Ein Mangel an Geld und die damit verbundenen materiellen Einschränkungen sind ein bedeutsamer und eindeutig diskussionswürdiger Aspekt von Armut, doch Kinderarmut bedeutet mehr: für betroffene Kinder und Jugendliche bedeutet Armut, dass ihre Chancen auf gleichwertige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gemindert und ihre Zukunftschancen reduziert werden.
Soziale Teilhabe eingeschränkt
Geldmangel sowie soziale Stigmatisierung aufgrund von Armut schränken die Möglichkeiten auf soziale Teilhabe von betroffenen Kindern und Jugendlichen ein, etwa wenn die finanziellen Mittel für den Besuch einer Geburtstagsfeier oder die Teilnahme an einer Klassenfahrt nicht vorhanden sind. Auch informelle Bildungsangebote und organisierte Freizeitaktivitäten, wie etwa musische Bildung oder Vereinsaktivitäten, können für die Eltern armutsbetroffener Kinder und Jugendlicher nur schwer finanzierbar sein. Dabei sind Freundschaften und gemeinsame Aktivitäten mit Gleichaltrigen von großer Bedeutung für die soziale und emotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen: durch sie lernen Kinder und Jugendliche wichtige emotionale und kommunikative Fähigkeiten, sie eröffnen Kindern und Jugendliche neue Welten und Perspektiven, außerdem können sie Kindern und Jugendlichen ein Gefühl von Zugehörigkeit und Unterstützung geben. Ein Mangel an sozialer Teilhabe kann die Entwicklung betroffener Kinder und Jugendlicher nachhaltig negativ beeinträchtigen.
Gesundheitliche Folgen
Geldmangel ist tendenziell mit gesundheitlichen Folgen für betroffene Kinder und Jugendliche verbunden, etwa wenn finanzielle Mittel für eine gesundheitsfördernde Ernährung für sie nicht vorhanden sind – Adipositas und Diabetes können Folgen sein. Armut kann Kinder und Jugendliche auch psychologisch belasten und Stress erhöhen, etwa wenn Geldmangel das Familienklima belastet oder Armut Schamgefühle hervorruft. Verstärkt werden diese gesundheitlichen Risiken von Armut noch durch die Tatsache, dass in armutsbetroffenen Familien deutlich weniger Geld für Arztbesuche, Medikamente und Therapieangebote aufgewendet werden kann als in einkommensstärkeren Familien. Gesundheitliche Ungleichheiten beeinflussen die Zukunftschancen von armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen negativ und die gesundheitlichen Folgen von Kinderarmut können sie potenziell ihr Leben lang begleiten.
Schlechterer Bildungschancen
Geldmangel schränkt Bildungschancen ein, etwa wenn armutsbetroffene Kinder und Jugendliche sich aufgrund eines fehlenden Frühstücks schlechter im Unterricht konzentrieren können oder zu Hause kein internetfähiger Computer vorhanden ist. Von der Einschulung bis zum Schulabschluss sind armutsbetroffene Kinder und Jugendliche im Bildungssystem im Vergleich zu nicht armutsbetroffenen Gleichaltrigen tendenziell benachteiligt: ihre durchschnittlichen Noten in der Grundschulzeit sind schlechter, sie erhalten weniger häufig eine Gymnasialempfehlung, erlangen im Durchschnitt deutlich niedrige Abschlüsse und weisen häufiger Lücken in der Schullaufbahn auf. Teilweise sind nicht nur Geldmangel, sondern auch Stigmatisierung und Vorurteile seitens der Lehrkräfte ein Grund für die ungleich verteilten Bildungschancen. Bildungsergebnisse haben tendenziell erhebliche Einflüsse auf die weiteren Lebenschancen: niedrigere Bildungsergebnisse sind mit schlechteren Verdienstmöglichkeiten und höheren Arbeitslosigkeits- sowie Armutsrisiken verbunden.
Der Weltkindertag 2023 steht unter dem Motto „Jedes Kind braucht eine Zukunft“ und auch im reichen Deutschland ist dieses Motto von großer gesellschaftlicher Relevanz, denn auch in Deutschland kann die Zufälligkeit der Geburt bestimmen, welche Zukunftschancen ein Kind hat. Diese Ungerechtigkeit sollte in der Debatte um Kinderarmut viel stärker als bisher thematisiert werden und die Debatte sich stärker als bisher darauf fokussieren, wie Politik und Gesellschaft bewirken können, dass alle Kinder unabhängig von dem Einkommen ihrer Familien ihre Potenziale voll entfalten und ihre Zukunft ohne Einschränkungen gestalten können.
von: Ruwen Pietzner, Student der Politikwissenschaften an der Philipps-Universität Marburg und Praktikant im Referat Arbeit & Soziales des ZGV
Weiterführender Beitrag
„Chancenmangel durch Kinderarmut“ von Ruwen Pietzner
Der Beitrag „Chancenmangel durch Kinderarmut“ liefert weitere und tiefere Einblicke in das Thema: Daten und Fakten zu Kinderarmut in Deutschland, Einblicke in die materielle Unterversorgung armutsbetroffener Kinder und Jugendlicher, mehr Daten und Fakten zu den Mechanismen der Chancenminderung durch Kinderarmut in Bezug auf die soziale Situation und soziale Entwicklung betroffener Kinder und Jugendlicher und im Gesundheits- sowie Bildungsbereich, sowie Analysen über konkrete Auswirkungen von Kinderarmut auf Lebenschancen.